Das war die bisher kälteste Nacht des Trekkings. Zumindest Ines und ich sind uns da einig. Sogar ich fror im Schlafsack am ganzen Körper und hatte erbärmlich kalte Füße. Außerdem wurde mein Schlaf ab vier Uhr früh ständig von unnötigem Lärm unterbrochen. Ausländische Bergsteiger und inländische Begleittruppen konkurrierten dabei in ihrer Rücksichtslosigkeit. Dummheit ist leider ein weltweites, grenzüberschreitendes Problem ...

Ungeduldig erwarte ich den Abmarsch, weil mir schon beim Frühstück die Zehen abgestorben sind. Als wir losgehen spüre ich den halben Fuß nicht mehr. Darüber beunruhigt reihe mich ich direkt hinter Moises ein, der mir aber entschieden zu langsam läuft. Dann will er auch noch nach zwanzig Minuten im Schatten stehen bleiben, um die weiter zurück hängenden der Gruppe aufschließen zu lassen. Zum ersten mal bin ich wirklich genervt und ungehalten. Ich will in die Sonne, die nur noch zwei Gehminuten entfernt ist! Dort hält es mich aber auch nicht stehend. So schnell ich kann steige ich Richtung Pass auf, möchte meinen Kreislauf maximal in Schwung bringen. Kurz unterhalb des Passes, nach einerDer letzte Pass des Trekkings. Nun scheint der "Huayna Potosí" nur noch einen Steinwurf weit entfernt. geschlagenen Stunde, sind meine Füße dann wieder leidlich warm. Nach und nach treffen die anderen Trekker am ersten Pass für heute ein. Eine kleine Pause bietet Gelegenheit zur Rundschau. Der Abstieg in eine weite, zum Altiplano hin abfallende Wanne beginnt. Moises zeigt uns auf der gegenüberliegenden Seite den bevorstehenden zweiten Pass. Aus diversen Bemerkungen und Gesichtsausdrücken kann man eine gewisse Trekking-Müdigkeit ableiten. Immerhin sind wir ja jetzt auch schon über 10 Tage im ständigen Auf und Ab unterwegs ... Vor dem Gegenanstieg lässt Moises die müde Truppe noch einmal ausruhen. Unmittelbar hinter "unseren" Lamas raffen wir uns wieder auf. Der Hang ist im ersten Teil ziemlich anstrengend - eine letzte Härteprüfung.

Über dem Tiefland liegt schon wieder eine Wolkendecke.Hinter diesem Pass erwartet uns ein überaus gemütlicher Abstieg in eine von Viehhaltung geprägte Almlandschaft. Und es wird ein großartiger Ausblick geboten. Talauswärts reicht der Blick durch einen tieferliegenden Sattel bis weit in den wolkenbedeckten Osten, die Gegend der "Yungas" und des Regenwaldes. Während der Mittagsrast leisten uns viele grasende Lamas und Kühe auf der weitläufigen Alm Gesellschaft.

Über mehrere Stufen, gegen eine bizarr gezackte, im Gegenlicht schwarze Phalanx von Gipfeln geben wir Höhe auf. Die Flanken dieser Formation wirken ein wenig wie mit Puderzucker überstäubt. Hier muss es vor noch nicht allzu langer Zeit tatsächlich geschneit haben. Vielleicht bei dem Gewitter, das wir von der Isla del Sol aus an einem Abend beobachtet haben?

Der letzte Pass des Trekkings liegt hinter uns ...Einige Hundert Meter tiefer kommen wir an einem kleinen Stausee vorbei. Moises erklärt, dass er zur Stromerzeugung angelegt wurde. Als ich kurz darauf eine kleine Wasserrinne sehe, die am Fuß des Damms gespeist wird und keinerlei Anzeichen für einen Generator oder Stromleitungen erkennen kann, glaube ich Moises "endlich" bei einem "Fehler" ertappt zu haben. Was sich wenig später natürlich als Irrtum meinerseits herausstellt, nachdem talauswärts ein Fallrohr erkennbar wird, in das die Rinne offensichtlich mündet. Also wird dort wohl auch der Generator stehen ...

Diesen Nachmittag empfinde ich schon ein wenig als Abschied. Es ist ja der letzte volle Trekkingtag. Und der jetzt auf etwa 3850 Meter betretene Zeltplatz ist der letzte. Erstmals seit langer Zeit gibt es hier im Tal von "Ancohuma" wieder ein paar Bäume. Nach dem Dauer-Gelb-Braun der letzten 10 Tage ist Grün eine besondes willkommene Farbe. Der Platz liegt richtig "idyllisch" auf einer Wiese zwischen großen Felsen und natürlich an einem Bergbach. Zum Teil ist er mit Natursteinmauern eingefasst .Erste Bäume verdeutlichen wie tief unser letzter Lagerplatz schon liegt! Wegen der "geringen" Höhe ist es auch viel wärmer hier. Auch dann noch, als die Sonne früh hinter den hier schluchtartig eng stehenden Bergen verschwindet. Moises erzählt, dass man jenseits des Baches, grad mal 60 Meter den Hang hinauf, eine tolle Aussicht auf den "Huayna Potosí" haben soll. So recht mag ich es nicht glauben aber hat er nicht immer Recht behalten? Ines bestätigt wenig später Moises' Versprechen. Also setze auch ich über den Bach und arbeite mich zwischen Felsen langsam nach oben. Als ich mich umdrehe bin ich einen Moment überwältigt. Da liegt er. Unerwartet nah, sichtbar durch einen Einschnitt zwischen zwei Höhenrücken. Wieder Herzklopfen. Werde ich übermorgen früh tatsächlich da oben stehen?