Während wir vier Bergsteiger zum Huayna Potosí
unterwegs waren, kehrte der Rest der Gruppe nach La Paz ins Hotel zurück. Ich
entfernte mich von Ines mit sehr gemischten Gefühlen. Das lag einerseits natürlich an der
Ungewissheit, die meinem Vorhaben inne wohnte. Jenseits dessen verursachte
mir aber auch die für den nächsten Tag
geplante Fahrt nach "Coroico" ein bisschen
"Bauchgrimmen". "Coroico" liegt in der subtropischen Zone,
in den "Yungas" und ist
über eine 96 km lange Piste erreichbar, die offiziell als die "gefährlichste
Straße der Welt" gilt. Statistiken verbuchen durchschnittlich 26 Unfälle mit
Todesopfern in jedem Jahr. Andere makabere Berechnungen kommen sogar auf einen
Toten pro Tag! Der schlimmste Unfall ereignete sich 1983, als ein Lastwagen mit
100 Menschen auf seiner überfüllten Ladefläche in den Abgrund stürzte ...
Gegen 9:30 Uhr werden Birgit,
Hartmut, Holger und Ines
mit einem Jeep am Hotel abgeholt.
Gesteuert wird das geländegängige Fahrzeug vom bekannten Busfahrer. Neben ihm sitzt Moises, zwei Sitzreihen dahinter Ines. Die Route führt zunächst durch die wohlhabenden, tiefer
liegenden Stadtgebiete von La Paz und dann hinauf zum 4650m hohen Pass
"El Cumbre". 24 Kilometer -
relativ harmlose - Strecke liegen hier schon hinter den Ausflüglern. Noch ist
die Straße asphaltiert und gut befahrbar.
Inzwischen hat die bolivianische Verwaltung
damit begonnen ein weiteres Stück der unbefestigten Piste zu betonieren.
Aus diesem Grund ist ein erheblicher
Abschnitt der "Todesstrecke" derzeit nur einspurig befahrbar. Am Beginn dieses
Bereiches versperrt eine Schranke die Weiterfahrt, hinter der eine Reihe von Bussen
und Lkw auf die Freigabe der Durchfahrt um 12 Uhr warten. Der Jeep mogelt sich
noch ein paar Fahrzeuge weit nach vorne und reiht sich dann in die Warteschlange
ein. Von hier sind es immer noch 60 km bis "Coroico". Die Weiterfahrt ist
zunächst alles andere als unterhaltsam. Mehrere, dem Jeep "vorausrumpelnde"
Fahrzeuge wirbeln so viel Straßenstaub auf, dass aus den grau überpuderten
Fenster kaum etwas zu erkennen ist.
Und wenn, fällt der Blick auf die
zentimeterdick mit Staub bedeckten Pflanzen am Straßenrand . Das ändert sich
nach Passieren des einspurigen Abschnitts. Nach und nach überholt der Fahrer mit
"mutigen" Manövern die vorausfahrenden Brummer. So verschafft er sich und seinen
Fahrgästen ein wenig mehr Sicht und Sonne ...
Allen Insassen wird dann flugs
offenbar, warum diese Strecke
durch die einsamen, stark bewaldeten Berge so
viele Opfer fordert. Jedes entgegenkommende Fahrzeug erfordert waghalsige
Ausweichmanöver. Manchmal ist die Piste derart schmal, dass der Jeep
zurücksetzen und eine Ausweichstelle suchen muss. Und der Blick über die
Böschung fällt oft mehrere Hundert Meter beinahe senkrecht in die Tiefe ...
Am Ortseingang von "Coroico"
wird die gut durchgerüttelte Gruppe abgesetzt und wandert zu Fuß weiter. Ein Rundgang
stellt den Ausflüglern die schmucke Kleinstadt vor. Kurios: Sogar eine deutsche Bäckerei gibt es hier in "Coroico". Der Spaziergang
erschließt aber auch die Vielfalt von Formen und Farben der subtropischen
Pflanzenwelt hier in den Yungas. Das ist genau der richtige "Trekking-Chillout"
für eine Farben- und Blumenliebhaberin wie Ines ...
Ziel der kleinen Wanderung ist ein schmuckes Hotel mit schöner Anlage, in dem das Mittagessen auf die hungrige Truppe wartet. Nach dem Essen schaut sich Ines den herrlichen Garten des Hotels an: Endlich wieder Blumen, endlich wieder Grün, nach der weitestgehend vegetationslosen Zeit des Trekkings ...